Diese Kritik bezieht sich auf die Folgen 1+2 von „The Artful Dodger“!

Oliver Twist – mit einem Twist: Wer sich jemals an Charles Dickens Klassiker herangewagt hat, der weiß wohl von der Geschichte des Waisenjungen, der sich im viktorianischen London einer Gang aus jungen Taschendieben anschließt. Doch um diese Geschichte geht es hier nicht. Denn: Oliver Twist? Nichts im Vergleich zu seinem Kollegen Jack Dawkins oder „The Artful Dodger“, wie er auch genannt wird, einem talentierten Trickbetrüger und …Chirurgen? James McNamara verpasst in „The Artful Dodger“ einer klassischen Geschichte einen neuen Spin – indem er eine ganz neue erzählt.

von Lena Wasserburger

Vom listigen Taschendieb zum fähigen Chirurgen. Während Dawkins flinke Finger ihm in „Oliver Twist“ letztendlich zum Verhängnis wurden, hat er in „The Artful Dodger“ eine neue Verwendung dafür gefunden. Nachdem er vor Jahren aus seiner Gefängniszelle in England ausbrechen konnte, hat sich Jack Dawkins, nun ein erwachsener Mann, in Australien eine neue Existenz aufgebaut. Statt Uhren und Geldbörsen zu stehlen, sägt Jack vor einer Meute Schaulustiger Gliedmaßen ab. Die Arbeit eines Chirurgen im Australien des 19. Jahrhunderts ist nämlich vor allem eines: eine blutige Angelegenheit. Eine dankbare Arbeit ist es allerdings nicht, denn bezahlt wird Jack nicht. Seinen Lebensunterhalt muss er sich auf andere Weise verdienen: beim Kartenspiel. Blöd nur, dass er dabei eines Tages über den Tisch gezogen wird. Mit einem Schuldenberg auf den Schultern und der Gefahr, eine seiner Hände zu verlieren, sollte er nicht bezahlen können, im Nacken, ist Jack gezwungen, auf alte Tricks zurückzugreifen. Als wäre das nicht schon Problem genug, taucht auch noch sein alter diebischer Lehrmeister Fagin auf, der Jack um jeden Preis wieder für das Gaunern begeistern will. Und dann wäre da noch die eigensinnige Tochter des Gouverneurs, Belle, die mit Jacks Hilfe zur ersten weiblichen Chirurgin der Kolonien werden möchte.

Vom tristen London ins sonnige Australien: Die frische Kulisse ist bei weitem nicht das einzige neue Element in McNamaras Dickens-Remix. Und dieser startet mit rockiger Musik und Guy Ritchie-esquen Untertönen. Dass so etwas ganz gut funktionieren kann, das hat schon „Peaky Blinders“ bewiesen, der moderne Soundtrack ist da nämlich gewissermaßen ein Markenzeichen. Der Ton, den „The Artful Dodger“ anschlägt, hat allerdings wenig gemein mit der düsteren Atmosphäre in Peaky Blinders. Nein, für eine Serie, die doch nicht genug von abgesagten Körperteilen bekommen kann, ist die Stimmung durchaus locker, luftig und leicht. Ja, Blut fließt ab und zu in Mengen, aber immerhin lässt der nächste Witz nicht lange auf sich warten. Die Serie hat jedenfalls Charisma, und sei es nur wegen der Besetzung. Thomas Brodie-Sangster, dem schon als Kind in „Tatsächlich… Liebe“ die Herzen nur so zuflogen, versprüht auch als Jack Dawkins jede Menge Charme, auch wenn ihm ab und zu von David Thewlis als Fagin die Show gestohlen wird. An Maia Mitchells Performance als Belle gibt es auch erst einmal nichts zu meckern, in den ersten Folgen mangelt es ihr, im Vergleich zu den beiden anderen Hauptdarstellern jedoch noch an Screentime.

Woran es bisher allerdings nicht mangelt, ist Entertainment. „The Artful Dodger“ verschwendet selten Zeit, viel „Filler“ gibt es nicht, wovon das Erzähltempo eindeutig profitiert. Dynamisch, an manchen Stellen durchaus komisch, aber vor allem kurzweilig, das sind die ersten beiden Episoden der Serie. Die Dialoge machen überwiegend Spaß und die modernen Elemente entstauben, was sonst vielleicht ein wenig trocken gewesen wäre. Optisch kann die Serie Gutes, Mittelmäßiges und wenig Aufregendes bieten, einige Bilder stechen hervor, doch das Auge hängt ohnehin meist nur an den Charakteren, ohne deren Dynamiken wohl nicht mehr als eine recht leblose Geschichte zustande gekommen wäre.

Fazit

Erwartet man nicht zu viel und hat man außerdem, kein Problem damit, ein paar Tröpfchen Blut zu sehen, dann wird man mit „The Artful Dodger“ eine gute Zeit haben. Etwas Dynamik, unterhaltsame Dialoge und ein paar abgetrennte Gliedmaßen? Klar, wieso nicht.

Bewertung

Bewertung: 8 von 10.

(76/100)

Bild: (c) Disney